Unternehmen mit E-Commerce-Geschäft müssen sich umstellen: Am 1. Juli 2021 führen die Mitgliedsstaaten EU eine umfassende Reform der Mehrwertsteuerpflichten für Verkäufer und Marktplätze des elektronischen Handels im B2C-Bereich durch.
Der E-Commerce, also der digitale Handel mit Waren und Dienstleistungen, ist auf rasantem Wachstumskurs, auch getrieben durch die Erfahrungen der Corona-Pandemie und dem damit einhergehenden Geschäftsschließungen durch behördliche Vorschriften. So haben die 13 größten Handels-Plattformen der Welt im vergangenen Jahr laut einer UN-Studie Waren im Wert von 2,4 Billionen Euro verkauft. Einzelhändler haben der Studie zufolge im vergangenen Jahr fast jeden fünften Euro ihres Umsatzes über das Online-Geschäft erwirtschaftet. Für Deutschland finden sich folgende Zahlen: Der Umsatz mit Waren im E-Commerce stieg auf insgesamt 83,3 Milliarden Euro und somit um 14,6 Prozent im Jahresvergleich. Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) erwartet für 2021, dass der E-Commerce mit Waren und Dienstleistungen sogar die 100-Milliarden-Euro-Marke überschreiten wird.

Daher gilt: Auch wenn die Pandemie besiegt ist, gesellschaftliche Freiheiten und allgemeine Wirtschaftskraft wiederhergestellt sind, werden viele Entwicklungen nicht mehr rückgängig gemacht werden. E-Commerce ist eine Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahre und wird es auch in der Zukunft bleiben. Die Menschen suchen Zugänge zu Online-Händlern, wollen räumlich und zeitlich unabhängig einkaufen und eine größere Auswahl vorfinden als es – je nach Region – im stationären Handel der Fall ist.
Besteuerungsprinzipien nach den Grundregeln im unternehmerischen Bereich
Wichtig für Unternehmen ist, dass sie sich genau mit der Gesetzgebung und insbesondere den steuerlichen Pflichten auseinandersetzen. Der elektronische Handel mit Waren und Dienstleistungen unterliegt generell schon lange den allgemeinen steuerrechtlichen Regelungen, weist aber auch einige Besonderheiten auf, beispielsweise bei der Umsatzsteuer. Steuerrechtlich wird der elektronische Geschäftsverkehr mit den herkömmlichen Besteuerungsprinzipien für Lieferungen und Leistungen erfasst (§§ 3 und 3a UStG (Umsatzsteuergesetz)). Seit dem 1. Januar 2010 folgen ihre Besteuerungsprinzipien der Grundregeln im unternehmerischen Bereich (Ansässigkeitsort des Auftraggebers). Das gilt gerade im europäischen Kontext – denn E-Commerce ist grundsätzlich international ausgerichtet. Das gilt es zu beachten, um keine Fehler zu begehen, die ärgerlich und teuer werden können.
Jetzt geht es noch einen Schritt weiter. Am 1. Juli 2021 führen die Mitgliedsstaaten EU eine umfassende Reform der Mehrwertsteuerpflichten für Verkäufer und Marktplätze des elektronischen Handels im B2C-Bereich durch, also beim Handel mit Privatkunden. Die Versandhandelsregelung sieht bei Überschreiten einer bestimmten Netto-Umsatzschwelle, der sogenannten Lieferschwelle, keine deutsche Umsatzsteuerpflicht vor, sondern eine Mehrwertsteuerpflicht im Land des Verbrauchers (sogenanntes Bestimmungsland). Die Lieferschwelle fällt je EU-Land unterschiedlich hoch aus. Während in Luxemburg und in den Niederlanden die Grenzwerte bei 100.000 Euro liegt, gilt in anderen Staaten die Lieferschwelle von 35.000 Euro.
Umsatzsteuererklärungen im Ausland abzugeben
Das bedeutet: Vertreibt ein deutscher Händler seine Waren an Kunden in Österreich und überschreitet dabei die Schwelle von 35.000 Euro muss sich bei der österreichischen Finanzbehörde, die für deutsche Versandhändler zuständig ist, mehrwertsteuerlich registrieren lassen. Damit wird jede Lieferung nach Überschreiten des Grenzwerts nach dem österreichischen Mehrwertsteuersatz belegt. Im Anschluss an die mehrwertsteuerliche Registrierung sind dann regelmäßig Umsatzsteuererklärungen abzugeben und die fällige Mehrwertsteuer an die österreichische Finanzbehörde abzuführen. Die Regelungen gelten dabei auch für den Verkauf an Unternehmer, die nur steuerfreie Umsätze erbringen, welche den Vorsteuerabzug ausschließen, Kleinunternehmer und juristische Personen, die keine Unternehmer sind, beziehungsweise die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwerben.
Voraussetzungen für die Anwendungen der Fernverkaufsregelung beachten
Eine Erleichterung findet sich bei den Voraussetzungen, die Unternehmen erfüllen müssen, um sich überhaupt den neuen Vorschriften unterwerfen zu müssen. So müssen die elektronischen Dienstleistungen an einen Kunden (nach den genannten Regelungen) in einem anderen EU-Staat erbracht werden oder aber die die Gegenstände werden in einen anderen Mitgliedstaat geliefert, die Lieferschwelle von 10.000 Euro wird im laufenden Jahr und wurde im Vorjahr überschritten. Ebenso ist Voraussetzung, dass der Unternehmer nur in einem Mitgliedstaat ansässig ist. Übrigens: Auch wenn eine Lieferung durch ein deutsches Unternehmen nach Deutschland erfolgt, ist für den jeweiligen Lieferer unter den genannten Voraussetzungen die Fernabsatzregelung anwendbar.
Die neue Fernverkaufsregelung erhöht natürlich den Aufwand für betroffene Unternehmen ganz erheblich. Die notwendigen Strukturen müssen dringend errichtet werden, damit keine Nachteile und Fehler entstehen. Wir bei Beyel Janas Wiemann + Partner als Steuerberater in Kempen und Geldern sind auf E-Commerce spezialisiert und beraten Unternehmen bei der Errichtung betriebswirtschaftlich und steuerlich tragfähiger Strukturen, gerade auch im internationalen Kontext. Dieser Artikel ist der Start in eine längere Reihe zum „E-Commerce und Umsatzsteuer“. Unser Partner Jens Bormann wird in den kommenden Beiträgen weitere relevante Fragestellungen genau analysieren.